http://www.rafinfo.de/archiv/vs/vs-93.php

Verfassungsschutzbericht 1993

3.1.7 Rote Armee Fraktion (RAF)

Sprengstoffanschlag auf die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt

Am 27. März 1993 verübten unbekannte Täter einen Sprengstoffanschlag auf den noch nicht bezogenen Neubau der Justizvollzugsanstalt (JVA) Darmstadt-Weiterstadt. Durch die Explosion wurden das Verwaltungsgebäude und vier Zellengebäude zerstört.

Es entstand Sachschaden von über 100 Mio DM. Personen wurden nicht verletzt.

In der im Fluchtfahrzeug abgelegten kurzen Taterklärung übernahm ein "Kommando Katharina HAMMERSCHMIDT Rote Armee Fraktion" die Verantwortung für die Tat. Die unbekannten Verfasser der Erklärung heben hervor, "es habe sich nichts daran geändert, daß wir den einschnitt in unsere geschichte, den wir gemacht haben, brauchen und wollen". Sie seien darauf aus, "eine neue vorstellung für den revolutionären umwälzungsprozeß" zu entwickeln. Begründet wird der Anschlag damit, daß der "weiterstädter knast als abschiebeknast für die rassistische staatliche flüchtlingspolitik" stehe. Die Erklärung schließt mit den Parolen "Freiheit für alle politischen Gefangenen", "für eine Gesellschaft ohne Knäste", "Rassismus von Staat und Nazis bekämpfen" sowie der Aufforderung zur "Solidarität mit den internationalen Gefangenenkämpfen".

In einer zweiten siebenseitigen Erklärung der RAF-Kommandoebene vom 30. März 1993, die am 1. April 1993 bei der Frankfurter Rundschau und bei der in Berlin erscheinenden "tageszeitung" einging, wird ergänzend ausgeführt, "es gehe um den Aufbau einer sozialen Gegenmacht, die sich als relevante Kraft in einem neuen internationalen Kampf für die Umwälzung der zerstörerischen kapitalistischen Verhältnisse einbringen kann." Der Staat habe "die Verfolgung fortschrittlicher Menschen, die politische GegnerInnen dieses System sind" seit der Rücknahme der Eskalation, "teilweise noch verschärft". Deshalb habe man sich bereits in den Erklärungen aus dem Jahr 1992 "mit der Drohung die Möglichkeit offengehalten, da zu intervenieren, wo es notwendig ist, dem staatlichen Ausmerzverhältnis Grenzen zu setzen". Insbesondere "in bezug auf die Gefangenen" habe sich der Staat durch die "neue Prozeßwelle" ein weiteres Mal "für die Eskalation entschieden". Im letzten Jahr habe die RAF versucht, "trotz der Zäsur politischen Druck" in der Gefangenenfrage über diese Drohung zu halten. Mit der jetzigen Aktion habe die Kommandoebene "diesen Druck neu gesetzt und die Drohung aktualisiert".

Festnahmeaktion in Bad Kleinen

Am 27. Juni 1993 wurden die seit langem mit Haftbefehl gesuchten mutmaßlichen RAF-Terroristen Birgit HOGEFELD und Wolfgang GRAMS auf dem Bahnhofsgelände in Bad Kleinen (Mecklenburg-Vorpommern) festgenommen. Beide waren seit 1984 in den illegalen Untergrund abgetaucht. Sie trugen Waffen und gefälschte Personalpapiere bei sich. Die Waffen waren bei einem Raubüberfall am 25. November 1984 auf ein Waffengeschäft in Maxdorf erbeutet worden. Bei der Festnahme von Wolfgang GRAMS kam es zu einem heftigen Schußwechsel, in dessen Verlauf ein Polizeibeamter getötet wurde und Wolfgang GRAMS unter anderem einen Kopfschuß erhielt, an dessen Folgen er wenig später verstarb. Ein weiterer Beamter und eine Bahnbeamtin erlitten leichtere Verletzungen.

In einer am 9. Juli 1993 bei den Bonner Büros der Nachrichtenagenturen AFP und Reuter eingegangenen zweiseitigen Erklärung der RAF-Kommandoebene vom 6. Juli 1993 drückt diese ihre tiefe Betroffenheit über die "kaltblütige Ermordung von Wolfgang GRAMS" aus. Nach der Rücknahme der Eskalation hätte es "einer politischen Entscheidung des Staates" in der Gefangenenfrage bedurft, zu der "die Elite von Staat und Wirtschaft weder Willens noch in der Lage" sei. "Die Rücknahme der Eskalation" sowie die "veröffentlichte Selbstkritik" habe der Staat "als Zeichen von Schwäche genommen". Vor diesem Hintergrund stellt die RAF fest, die "Ausgangsbedingung" für den seit der Deeskalationserklärung vom April 1992 vorgezeichneten Weg sei eine neue: "Wolfgang" sei "hingerichtet" worden; sie knüpft daran den Appell an "alle Menschen, die dieser Terror betroffen gemacht hat" ... "geht nicht zur Tagesordnung über, nehmt das nicht hin." Die Erklärung zielt offensichtlich auf Solidarisierung und Protest unter Einschluß von Gewalt. Zugleich wirbt sie, auf den Tod des "hingerichteten" Wolfgang GRAMS als "neue Ausgangsbedingung" hinweisend, zumindest um Verständnis für Vergeltungstaten.

Dokument

Taterklärung des "Kommando Katharina HAMMERSCHMIDT - Rote Armee Fraktion" vom 30.3.1993 zum Sprengstoffanschlag auf die Justizvollzugsanstalt Darmstadt-Weiterstadt am 27.3.1993

"es hat sich nichts daran geändert, daß wir den einschnitt in unsere geschichte, den wir gemacht haben, brauchen und wollen. denn wir sind auf einen prozeß aus, in dem soziale gegenmacht von unten und daraus eine neue vorstellung für den revolutionären umwälzungsprozeß entwickelt werden kann. das erfordert eine diskussion, in der sich die unterschiedlichsten menschen finden und neue grundlagen und gemeinsame kriterien für diesen prozeß schaffen. es geht um den aufbau einer sozialen gegenmacht, die sich als relevante kraft in einem neuen internationalen kampf für die umwälzung der zerstörerischen kapitalistischen verhältnisse einbringen kann. es wird darum gehen, die sowohl international wie auch innergesellschaftlich veränderte wirklichkeit umfassend zu begreifen und in diesem prozeß auch "den ganzen alten begriffsschrott (der linken) abzuklopfen ...", denn nur in einer tiefgreifenden auseinandersetzung wird es möglich werden, eine vorstellung zu gewinnen, wie die verhältnisse revolutionär aufzuheben sind. und nur aus diesem prozeß können die fragen nach den mitteln des kampfes und den konkreten formen der organisierung neu beantwortet werden. dieser prozeß hat für uns nach wie vor die größte priorität. die notwendigkeit dazu ist jeden moment spürbar, wenn wir uns die rasante destruktive entwicklung des kapitalistischen systems vor augen halten. dieses system hat schon lange die ausgrenzung, das materielle und soziale elend und den tod von millionen menschen im trikont hervorgebracht. heute ist die entwicklung der fortschreitenden grundsätzlichen krise dieses systems an einem punkt angelangt, an dem die zerstörung der lebensgrundlagen selbst in den metropolen nicht mehr zu verdrängen ist und soziales und materielles elend auch hier zur realität von immer mehr menschen geworden ist und viele spüren, daß die perspektive in diesem system für sie selbst nur hoffnungslosigkeit bedeutet. in dieser situation hat das fehlen einer sozial sinnvollen alternative als gesellschaftliche kraft katastrophale auswirkungen. während der staat die ausbreitung und eskalation faschistischer und rassistischer mobilisierung in der gesellschaft schürt und fördert und es z.b. mit seiner gezielten hetze gegen flüchtlinge geschafft hat, einen großteil der aufbrechenden widersprüche in eine reaktionäre richtung zu kanalisieren, ist die situation auf unserer seite nach wie vor von vereinzelung und desorganisation geprägt. im august letzten jahres haben wir einen text geschrieben, in dem es uns um die reflexion unserer geschichte geht und wir gleichzeitig kriterien und überlegungen für die zukunft angerissen haben; gedanken, die sich aus unserer auseinandersetzung in den letzten jahren entwickelt haben. diese gedanken sind für uns ausgangspunkt in der diskussion, die wir führen wollen. natürlich sind neue fragen und überlegungen dazugekommen. auch wenn wir nicht viel resonanz auf unser papier bekommen haben, ist es unser bedürfnis, die diskussion weiter und genauer zu entwickeln. aus teilen der frauenbewegung gab es die kritik an uns, daß wir nur wenig auf ihre diskussionen eingegangen sind, die für teile von ihnen in den letzten jahren sehr wichtig gewesen sind, wie die diskussion um rassismus. und auch durch die sich überschlagenden ereignisse wie z.b. in rostock ist es für uns dringend geworden, diese auseinandersetzung genauer zu führen. wenn wir auch nach wie vor die verschärfung der lebensbedingungen hier und die um sich greifende perspektivlosigkeit vieler menschen sowie das fehlen der linken als kraft als einen grund für den zulauf bei den faschisten sehen, ist es auf der anderen seite aber auch klar, daß die wurzeln dafür, warum sich hier in der metropole, im neuen großdeutschland, die unzufriedenheit in einem solchen ausmaß gegen fremde entlädt, tiefer liegen. damit müssen sich alle sehr bewußt auseinandersetzen. wie ein mosambikaner sinngemäß gesagt hat: bei uns sind die menschen auch arm und trotzdem schlagen sie deshalb nicht auf die nächsten unter ihnen ein. die auseinandersetzung über rassismus wird also sicher ein wichtiger teil beim aufbau einer gegenmacht von unten sein - die nicht im ghetto bleiben oder als abgrenzung zu anderen geführt werden kann, sondern als frage ans eigene bewußtsein, wie jede/r sein will und welche gesellschaftliche entwicklung man/frau will. daß da in der vergangenheit fehler gelaufen sind, kritisiert die autonome l.u.p.u.s.-gruppe in ihrem buch "geschichte rassismus und das boot" so: "so selbstverständlich und geübt es scheint, heute über rassismen, über das 'spezifisch deutsche' oder über deutsche einzigartigkeiten zu streiten, so selbstverständlich sah die revolutionäre linke in letzten 20 jahren darüber hinweg. ... was in der linken auseinandersetzung um patriarchales verhalten unmöglich geworden ist, schien in der frage des deutsch-seins auffällig leicht zu fallen: wir haben damit nichts zu tun." die chancen heute vieles anders zu machen und neues herauszufinden sind groß: die frage nach dem aufbau einer gegenmacht von unten ist nicht ausschließlich eine frage an weiße, deutsche linke, sondern eine frage danach, wie menschen, die hier leben, sich gemeinsam organisieren können. und die bevölkerung setzt sich hier aus menschen der unterschiedlichsten nationalitäten und hautfarben zusammen. "... der dialog mit schwarzen frauen muß nicht in fernen ländern stattfinden, sondern ist/wäre viel einfacher und intensiver mit den frauen möglich, die in der brd leben. die geschichte von migrantinnen und ihr wissen aus den herkunftsländern ist dabei für das begreifen internationaler zusammenhänge so wichtig wie ihre politischen meinungen und erfahrungen mit rassismus und dem anderen sexismus, der sie hier trifft, für das verständnis der brd-gesellschaft ..." (aus: "basta"-frauen gegen kolonialismus) "... es war die 68-er bewegung, die das, was der faschismus nach dem judentum innerstaatlich am grausamsten verfolgt und ausgemerzt hatte, die linke, ihre werte, kultur und kontinuität, wieder lebendig und berechtigt hat werden lassen in deutschland west. und wenn heute eine re-faschisierung läuft, dann breitet sie sich aus in jenem politisch-kulturellen vakuum, das diese linke in ihrem rückzug aus einer gesamtgesellschaftlichen verantwortung und neusetzung von werten und einstellungen hinterlassen hat." (lutz taufer, gefangener aus der raf). es ist eine aufgabe der linken in ihrer praxis neue werte zu setzen und zu leben, ansonsten wird in der gesellschaft immer nur das hervorbrechen, was 500 jahre kolonialismus im bewußtsein der metropolenbevölkerung angerichtet haben: rassistische ideologie. das weiße herrenmenschenbewußtsein ist seit 500 jahren voraussetzung für kolonialistische und imperialistische ausbeutung der völker im trikont. es ist im bewußtsein der weißen metropolenbevölkerungen aus dieser geschichte vorhanden und wird in krisenzeiten von staat und kapital offen mobilisiert. rassismus heißt, menschen in "andersartige" und "mehr-" und "minderwertige" zu kategorisieren. so werden immer die kategorisiert, die im kapitalistischen produktionsprozeß entweder nicht mehr gebraucht werden oder härter ausgebeutet werden sollen. die zerstörung des sozialen unter den menschen ist die voraussetzung für rassismus. diese zerstörung bedeutet, daß auf der basis des kapitalistischen systems, dem 24-stunden-alltag von leistung und konkurrenz, den menschen eigene kriterien geraubt und durch für den kapitalismus funktionale werte ersetzt wurden - am effektivsten in den metropolen. das zeigt sich z.b. am verhältnis zu arbeit und leistung als wertedefinition des menschen: ohne arbeit bist du nichts ... es ist das verhältnis zur zeit, wo es für die meisten menschen zur normalität geworden ist, in einem vollkommen vorbestimmten rythmus und stress das ganze leben zu verbringen, in dem es keinen platz für kreativität und lebenslust gibt. es zeigt sich daran, daß in diesem system alles zur ware wird, auch das verhältnis zur körperlichkeit, wobei natürlich die frauen am meisten dazu gezwungen werden, ihren körper als ware zur schau zu tragen, die von männern konsumiert oder eben abgelehnt wird. ... es war und ist immer die voraussetzung für die herrschaft des kapitalistischen systems über die menschen gewesen, mit solchen kriterien auch tausend trennungen zwischen sie zu setzen: die trennungen in mehr- und minderwertige; in leistungsfähige und "arbeitsscheue"; in schwarze und weiße; in männer und frauen; alte und jung; kranke, schwache, behinderte und starke, gesunde; in gescheite und "dumme".

dieser prozeß der zerstörung hat heute eine dimension erreicht, in der die gesellschaft in ein inneres um-sich-schlagen übergeht. rassistisches bewußtsein wie überhaupt der destruktive prozeß in der gesellschaft kann nur in kämpfen, in denen soziale beziehungen und werte hervorgebracht und umgesetzt werden, aufgehoben bzw. umgekehrt werden. eine perspektive revolutionärer entwicklungen wird nur in solchen prozessen wieder vorstellbar werden. entweder schafft die linke - und damit meinen wir alle, die auf der suche nach wegen sind, wie menschenwürdiges leben hier und weltweit durchgesetzt werden kann - einen neuen aufbruch, der seine wirkung in die gesellschaft hat, oder der "aufbruch" bleibt auf der rechten, faschistischen seite. entweder wird von unserer seite aus eine basisbewegung von unten entwickelt, die von solidarität und gerechtigkeit, vom kampf gegen soziale kälte, perspektivlosigkeit und armut bestimmt ist, oder die explodierenden widersprüche werden weiterhin destruktiv bleiben und die gewalt jede/r gegen jede/n eskalieren.

es gibt linke, die sich mit diesen fragen nach der gesellschaftlichen entwicklung, wie wir und auch andere sie gestellt haben, nicht auseinandersetzen wollen, weil dies reformistisch sei. solche scheindiskussionen um revolutionär/reformistisch sind ohne jeden gebrauchswert für die neubestimmung revolutionärer politik; und auch im festhalten und beharren auf zeitlos alten klarheiten wird niemand antworten auf die sich heute stellenden fragen finden. die gegenseitigen bestätigungen, daß die revolution international sein muß, sind banal - sie nutzen niemandem, auch nicht den völkern im süden oder osten. die wirklichen fragen fangen danach erst an, nämlich wie hier eine soziale gegenmacht aufgebaut werden kann, die aus den gemachten erfahrungen und eigenen fortschritten sich tatsächlich als relevante kraft in die internationalen diskussionen und kämpfe einbringen kann. in diesem sinne ist der vorwurf an uns, wir würden eine neubestimmung nicht mehr im internationalen zusammenhang suchen, inhaltlich genauso oberflächlich wie er absurd ist. das draufstürzen auf das bemühen anderer, um zu sehen, wie man es zerreißen kann, (oder ob es besser ist, sich dranzuhängen) ist eine alte rangehensweise der deutschen linken. das positive daran, daß in den diskussionen seit dem 10.4. letzten jahres innerhalb der radikalen linken zentnerweise alter mist - wie konkurrenz und abgrenzungsdenken oder verkrampftes festhalten an alten rangehensweisen - hochkonjunktur erlebt hat, ist, daß er, so offen wie er nun dasteht, auch endlich überwunden werden kann. die voraussetzung für die neubestimmung revolutionärer politik ist, daß jetzt die leute zusammenkommen, sich organisieren und handeln, die voneinander wirklich was wissen wollen und neue gedanken zulassen und entwickeln wollen.

seitdem wir vor einem jahr die eskalation von unserer seite aus zurückgenommen haben, hat der staat die verfolgung fortschrittlicher menschen, die politische gegnerInnen dieses systems sind, teilweise noch verschärft: versuche, aus der vereinzelung heraus räume für eine andere entwicklung zu erkämpfen, werden nach wie vor niedergemacht. herausragendes beispiel war der versuch, den gegenkongress gegen den weltwirtschaftsgipfel in münchen von vorneherein zu verhindern, eine internationale diskussion unmöglich zu machen sowie die einkesselung der demonstration. die antifaschistische organisierung wird kriminalisiert und antifaschistische demonstrationen wie in mannheim im sommer letztes jahr niedergeprügelt. natürlich besteht ein zusammenhang zwischen dem niedermachen von selbstbestimmten ansätzen, der verfolgung und einknastung von antifas und der stärker werdenden faschistischen mobilisierung. die herrschenden wissen, daß alle maßnahmen, zu denen sie aus der krise gezwungen sind, die widersprüche im inneren verschärfen werden - sozialabbau, steigende wohnungsnot, steigende arbeitslosigkeit, stahlkrise, krise in der autoindustrie ... - reuter, chef von daimler benz, geht laut spiegel von 30 bis 50 jahren krise aus - das alles soll auf die bevölkerung abgewälzt werden. gleichzeitig muß der staat eine irgendwie geartete mobilisierung für großdeutschland hinkriegen. wenn z.b. militärische einsätze der bundeswehr zwar unter der hand immer wieder gelaufen sind - wie im krieg gegen den irak und gegen das kurdische volk - so geht es dem großdeutschen staat perspektivisch doch um eine andere dimension und um eine größere akzeptanz auch hier im innern für deutschland als militärmacht - da bleibt nicht viel anderes, als eine rassistische, weiße mobilisierung der "deutschen staatsbürger" in dem einen boot, was diese gesellschaft im herrschenden kapitalistischen interesse noch zusammenhalten könnte. während sie auf der einen seite also rassistische ausländer- und asylgesetze verabschieden und flüchtlinge hier zu "dem problem der deutschen" ganz gezielt in die köpfe der leute gepuscht haben, und damit die faschistische mobilisierung überhaupt in diesem ausmaß auf den plan gerufen haben, übernehmen sie auf der anderen seite gleichzeitig die schirmherrschaft von demonstrationen gegen fremdenhaß wie in berlin ende letzten jahres. so soll auch noch die empörung vieler menschen gegen die faschistischen schläger und mörder für diesen staat kanalisiert und funktionalisiert werden. um zu verhindern, daß sich aus dieser empörung eine bewegung von internationaler solidarität der unterdrückten gegen die herrschenden und ihre faschistischen schläger entwickelt, wurde wochenlang durch die medien gepeitscht: es ginge um gewalt, gewalt von links wie gewalt von rechts. während hier täglich ausländische, behinderte und obdachlose menschen angegriffen werden und es allein '92 dabei 17 tote gegeben hat, stellte kohl sich hin und redete von extremismus von links und von rechts, der bekämpft werden muß. der jubel der herrschenden über den zusammenbruch des sozialistischen staatensystems und über den "großen sieg" des kapitalistischen systems ist schon seit einiger zeit verstummt - diese entwicklung hat das kapitalistische system in seine größte krise gestürzt. die herrschenden haben keine antworten auf diese krise - was nicht heißt, daß sie nicht trotzdem mit menschenverachtenden planungen und maßnahmen versuchen, die situation da, wo sie noch können, zu regulieren. es scheint, daß die einzige linie, die sie klarhaben, die bekämpfung der linken ist. da sollen alle niedergemacht werden, die auf eine antifaschistische und antirassistische mobilisierung von unten und gegen die herrschenden interessen aus sind. verhindern wollen sie ansätze, wo menschen sich für ein von unten bestimmtes solidarisches lösen der probleme organisieren. darüberhinaus führt der staat einen rachefeldzug gegen die alten kommunisten und antifaschisten, was sich exemplarsich an dem prozeß und der einknastung von gerhard bögelein gezeigt hat, bis sie ihn kurz vor seinem tod rauslassen mußten. alles, was an widerstandserfahrungen in diesem jahrhundert entwickelt worden ist, soll ausgemerzt werden. und genau diese haltung zeigt sich auch in dem umgehen des staates mit unseren gefangenen genossInnen.

wir sind oft kritisiert worden, daß wir in der erklärung vom april letzten jahres unsere entscheidung zur zäsur mit der situation der gefangenen bzw. überhaupt mit dem staatlichen vernichtungswillen verknüpft hätten.

wir haben jedoch den einschnitt in unsere geschichte immer mit der notwendigkeit begründet, neue grundlagen zu entwickeln, und gesagt, daß diese notwendigkeit unabhängig vom staatlichen handeln existiert. aber uns war auch von anfang an dabei bewußt, daß unklar ist, wie der staat reagiert, wenn wir den druck von unserer seite aus wegnehmen, und deshalb haben wir uns mit der drohung die möglichkeit offengehalten, da zu intervenieren, wo es notwendig ist, dem staatlichenn ausmerzverhältnis grenzen zu setzen. im august '92 haben wir geschrieben: "wir werden die bewaffnete intervention dann als ein moment des zurückdrängens bestimmen und nicht als weitere strategie. wir werden also nicht einfach zum alten zurückkehren. diese eskalation ist nicht unser interesse. aber der staat muß wissen, wenn er keine andere möglichkeit zuläßt, daß es auf unserer seite die mittel, die erfahrung und die entschlossenheit gibt, sie dafür zur verantwortung zu ziehen." es ist quatsch zu sagen, wir hätten damit uns bzw. die frage der weiterentwicklung revolutionärer politik von der situation der gefangenen abhängig gemacht. aber tatsache ist auch, daß unser schritt z.b. auswirkung darauf hat, wie der staat mit der frage nach der freiheit der politischen gefangenen umgeht. das ganze ist eine widersprüchliche situation; damit müssen wir umgehen und uns darin bewegen können. wir leben schließlich nicht im luftleeren raum. nachdem wir den druck von unserer seite aus wegenommen hatten, hat sich der staat in bezug auf die gefangenen ein weiteres mal für die eskalation entschieden - das urteil gegen christian klar und die neue prozeßwelle überhaupt sollen bei vielen das lebenslänglich zementieren; die entscheidung, bernd rössner nicht endgültig freizulassen; mit den letzten ablehnungsbegründungen auf die anträge von gefangenen auf freilassung ist die staatsschutzjustiz da angekommen, sie zur psychiatrischen untersuchung zwingen zu wollen, womit sie eingestehen sollen, ihr kampf, ihr aufbruch sowie ihre gegnerschaft zum system sei irrsinn. die gefangenen sollen nicht zusammengelegt werden, denn sonst könnten sie in diskussionsprozesse und gesellschaftliche prozesse eingreifen - und noch viel weniger sollen sie draußen sein. sie sollen nach wie vor vernichtet werden und ihre erfahrungen aus kämpfen von anderen ferngehalten werden. es ist vollkommen klar, daß es eine politische entscheidung des staates erfordert, um vom ausmerzverhältnis gegen die gefangenen zu einem politischen umgang mit der gefangenenfrage zu kommen - die politische ebene hat diese frage aber an die staatsschutzjustiz abgegeben, die natürlich erst recht nicht die entscheidung trifft, zu der die politik nicht willens ist.

sicher liegen nach wie vor tausend fragen auf dem tisch und eine solidarische diskussion, in der aus den gemachten erfahrungen der kämpfe in den letzten 25 jahren gemeinsam gelernt, schlüsse für die zukunft und gemeinsame kriterien für eine neue vorstellung für den umwälzungsprozeß entwickelt werden können, hat noch kaum angefangen. aber es gibt grundsätze und selbstverständlichkeiten, die nicht in frage gestellt werden müssen, von denen wir einfach ausgehen: z.b. das verhältnis zu unseren gefangenen genossInnen und der tatsache, daß der staat seit 22 jahren politische gefangene in isolationshaft foltert - wir kämpfen für die freiheit dieser gefangenen. wir werden nicht sagen: wir sind jetzt auf der suche nach einer neuen strategie und was mit ihnen derweil passiert, passt jetzt nicht in unser konzept. wir können einen neuen anfang, die entwicklung neuer vorstellungen gar nicht losgelöst von der frage sehen, wie die freiheit unserer genossInnen, die aus diesen 22 jahren kampf gefangengenommen wurden, erkämpft werden kann. sie sind seit 22, 18 ... jahren in isolation/kleingruppenisolation, es ist keine frage: ALLE MÜSSEN JETZT RAUS die frage, ob die freiheit aller politischen gefangenen in einer gemeinsamen anstrengung aller linken und fortschrittlichen menschen durchgekämpft werden kann, hat aus unserer sicht auch bedeutung dafür, ob wir es schaffen, in dieser phase der neubestimmung tatsächlich eine starke und selbstbewußte kraft, die gegenmacht gegen die herrschenden verhältnisse ist, aufzubauen. wer heute schulterzuckend oder ohnmächtig akzeptiert, daß die gefangenen weiter dieser tortur unterworfen werden, weil er/sie denkt, daß unsere seite dagegen zu schwach ist, wie soll er/sie darauf hoffen können, daß wir in der lage sind, eine kraft aufzubauen, die die gesamten verhältnisse umwälzen kann?

wir haben mit dem kommando katharina hammerschmidt den knast in weiterstadt gesprengt und damit auf jahre verhindert, daß dort menschen eingesperrt werden. wir wollen mit dieser aktion zu dem politischen druck beitragen, der die harte haltung gegen unsere gefangenen genossInnen aufbrechen und den staat an dieser frage zurückdrängen kann. doch dafür, daß ihre freiheit durchgesetzt werden kann, braucht es die unterschiedlichsten und vielfältigsten initiativen von vielen. im letzten jahr hatten wir versucht, trotz der zäsur politischen druck von unserer seite aus an dieser frage über die drohung zu halten. das, was es dafür an wirkung und grenze hätte sein können, ist leider gerade von genossInnen aus dem linksradikalen spektrum systematisch demontiert worden. mit unserer aktion haben wir diesen druck jetzt neu gesetzt und die drohung aktualisiert. wir denken, daß das genutzt werden kann.

"wir fordern die schließung des knastes weiterstadt! weiterstadt ist als abschiebeknast konzipiert und auf verseuchtem gelände gebaut ..." (aus einem diskussionspapier von gefangenen aus stuttgart-stammheim, sept. '91). der weiterstädter knast steht exemplarisch dafür, wie der staat mit den aufbrechenden und sich zuspitzenden widersprüchen umgeht: gegen immer mehr menschen knast, knast, knast - und er steht als abschiebeknast für die rassistische staatliche flüchtlingspolitik. in seiner technologischen perfektion von isolation und differenzierung von gefangenen menschen ist er modell für europa. weiterstadt war neben berlin-plötzensee der zweite völlig neu konzipierte hochsicherheitsknast in der brd. mit begriffen wie "wohngruppenvollzug" wird er, mit seinem hochsicherheitstrakt für frauen, als das "humanste gefängnis" in der brd dargestellt. hinter diesem begriff verbirgt sich jedoch ein wissenschaftlich weiterentwickeltes konzept zur isolierung, differenzierung und totaler kontrolle der gefangenen. es ist das prinzip von belohnung und bestrafung in high-tech-form, das die gefangenen zur disziplinierung und unterwerfung zwingen und letztlich ihre "mitarbeit", sich selber zu brechen, erreichen soll. das elektronische überwachungssystem war wohl das teuerste und perfekteste in ganz europa, mit dem jede äußerung und bewegung der gefangenen kontrolliert werden und zur auswertung für die psychologischen programme benutzt werden sollte, um jede regung von solidarität, freundschaft und selbstbestimmte organisierung zerstören zu können. "bevor die gefangenen auf die einzelnen wohngruppen verteilt werden, durchlaufen sie die einweisungsabteilung. dort wird ein psychiaterstab die einzelnen gefangenen auf anpassungsbereitschaft bzw. widerstandswillen durchleuchten. anhand der ergebnisse wird die aufteilung der gefangenen auf die einzelnen wohngruppen bestimmt. die wohngruppen sind hierarchisch gestaffelt. angefangen von unbeugsamen und unkooperativen bishin zu anpassungswilligen. das ziel: eine "karriere" des gefangenen durch aufsteigen von der untersten(= unangepasstesten) in die höchste (= konformste) wohngruppe." (aus: infoblatt der 'bunten hilfe' darmstadt) dazu schrieb eine der frauen aus der plötze, die mit einem hungerstreik für die abschaffung des wohngruppenvollzugs gekämpft haben: "die situation ist gekennzeichnet durch ein ausmaß an kontrolle und repression, wie es in seiner totalität kaum vorstellbar ist. die plötze ist sowohl architektonisch wie auch personell so konzipiert, daß ein kontakt zwischen den frauen gar nicht zustande kommt oder aber bis ins letzte detail registriert wird. die frauen werden in voneinander abgeschirmte zwangsgemeinschaften gepfercht, in denen sie danach ausgesucht werden, wie gut sie sich anpassen, und wie sie sich am besten gegenseitig fertig machen. die schallisolierten zellen haben eine gegensprechanlage, durch die die frauen jederzeit akustisch überwacht werden können. die stationsgänge sind mit kameras bestückt und der gruppenraum, wo sich die gefangenen in der freizeit treffen, ist verglast - kurz, die perfekte überwachung jeder lebensäusserung..." mit der lüge vom "humansten knast" wollte die justiz gefangene in anderen knästen auf deren verlegung nach weiterstadt einstimmen. jahrelang sind sie auf viele forderungen der gefangenen in frankfurt-preungesheim nicht eingegangen, mit dem verweis, es gäbe '93 den weiterstädter knast. was aber hat beispielsweise die forderung nach abbau der brutalen betonsichtblenden in preungesheim mit weiterstadt zu tun? nichts. nicht mal die behauptung, durch weiterstadt (wo die überbelegung von vornherein eingeplant war) würde sich die situation der überbelegung für die gefangenen in preungesheim verändern, entspricht der realität. sie hat den propagandistischen zweck, zu vertuschen, daß sie immer mehr knäste bauen (preungesheim soll nicht etwa geschlossen sondern neu aufgebaut werden), mehr haftplätze schaffen und immer mehr menschen einsperren, was ihre antwort auf die gesellschaftliche entwicklung ist. der bau von knästen ist keine lösung für die (preungesheimer) gefangenen. ihre forderungen müssen erfüllt werden - knäste müssen abgerissen werden.

FREIHEIT FÜR ALLE POLITISCHEN GEFANGENEN !

FREILASSUNG ALLER HIV-INFIZIERTEN !

FREILASSUNG ALLER FLÜCHTLINGE, DIE IN ABSCHIEBEHAFT SIND !

SCHLIESSUNG ALLER ISOLATIONSTRAKTE !

WIR GRÜSSEN ALLE, DIE IN DEN KNÄSTEN FÜR IHRE MENSCHENWÜRDE KÄMPFEN -

IN PREUNGESHEIM, SANTA FU, PLÖTZENSEE, RHEINBACH, STAMMHEIM, STRAUBING......

SOLIDARITÄT MIT DEN INTERNATIONALEN GEFANGENENKÄMPFEN !

DER WEG ZUR BEFREIUNG FÜHRT ÜBER DEN SOZIALEN ANEIGNUNGSPROZESS, DER TEIL WIRD IN EINEM NEUEN INTERNATIONALEN KAMPF FÜR DIE UMWÄLZUNG !

RASSISMUS VON STAAT UND NAZIS BEKÄMPFEN !

RASSISTISCHES BEWUßTSEIN IN DER GESELLSCHAFT IM KAMPF FÜR DAS SOZIALE UNTER DEN MENSCHEN AUFHEBEN - AUCH DAFÜR BRAUCHEN WIR EINE BASISBEWEGUNG VON UNTEN, DIE VON SOLIDARITÄT UND GERECHTIGKEIT, VOM KAMPF GEGEN SOZIALE KÄLTE,PERSPEKTIVLOSIGKEIT UND ARMUT BESTIMMT IST !

FÜR EINE GESELLSCHAFT OHNE KNÄSTE !

KOMMANDO KATHARINE HAMMERSCHMIDT

ROTE ARMEE FRAKTION

30.3.1993

ps.:

die behauptung, wir hätten das leben der wachleute und untersten justiztypen allein aus "derzeitigen taktischen" gründen geschützt oder sie hätten ihr leben ausgerechnet kinkel zu verdanken, ist natürlich eine lüge.

die raf hat kein interesse daran, solche leute zu verletzen oder zu töten. diese lüge liegt auf der gleichen linie wie die tatsache, daß die baw die warnplakate, mit denen wir das gelände um den knast weiträumig abgesperrt hatten, unter den tisch fallen läßt - wo sie doch sonst am liebsten jede haarnadel zur fahndung ausstellen."

3.1.8 Rote-Armee-Fraktion - Inhaftierte

Der "Bruch" im RAF-Gefüge

Am 28. Oktober 1993 veröffentlichte die Frankfurter Rundschau einen Brief des inhaftierten RAF-Mitgliedes Brigitte MOHNHAUPT, in dem diese für sich und zehn weitere RAF-Häftlinge (sogenannte Hardliner) den "Bruch" mit dem Kommandobereich der RAF, der in Bad Kleinen festgenommenen Birgit HOGEFELD sowie den in der JVA Celle einsitzenden RAF-Mitgliedern DELLWO, FOLKERTS und TAUFER erklärt.

Angedeutet hatte diese Entwicklung sich unter anderem bereits in der am 27. August 1993 in der "tageszeitung" veröffentlichten Erklärung des RAF-Häftlings Helmut POHL. Gleich zu Beginn seiner Ausführungen lehnt er ein "kurzzeitiges Zusammenkommen" der Gefangenen zur Diskussion einer Absage des bewaffneten Kampfes ab und wiederholt stattdessen die Forderung: "Freiheit jetzt und Zusammenlegung bis dahin". Er erinnert daran, daß es die sogenannten Hardliner gewesen seien, "die seit langen Jahren eine Zäsur wollten". Auch der Schritt zur Einstellung von "gezielt tödlichen Aktionen gegen Repräsentanten von Staat und Wirtschaft" sei von ihnen initiiert worden, "allerdings ein gutes Jahr früher, als er kam". Sie hätten dies als "spezifischen Gefangenenbeitrag zu einem Klärungsprozeß für eine Neuzusammensetzung einer Umwälzungspolitik gewollt". Die Möglichkeit, die in der Zäsur gesteckt habe, dürfte seiner Meinung nach vorbei sein. "Die bewaffnete Aktion und die Militanz" werde "einfach in unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Konfrontationen und in allen möglichen Formen stattfinden. Deshalb werde ich einen Teufel tun, den bewaffneten Kampf abzusagen".

Brigitte MOHNHAUPT wirft in ihrem Brief den Celler Gefangenen vor, sie hätten hinter dem Rücken der übrigen RAF-Häftlinge und mit Einverständnis der Mitglieder der Kommandoebene im Mai 1993 über Vermittler geheime Verhandlungen mit der Bundesregierung in Gang setzen wollen. Dabei habe signalisiert werden sollen, daß seitens der RAF und der Gefangenen die Bereitschaft vorliege, die Konfrontation mit dem Staat zu beenden; als Gegenleistung hätten sie sich die Freilassung einiger der Langzeitinhaftierten, die Zusammenlegung der übrigen Gefangenen sowie eine wie auch immer geartete "Gesamtlösung" für "die Illegalen" erhofft. Damit seien - so Brigitte MOHNHAUPT - "die Grundlagen unserer Politik weggekippt" worden. Die anderen und alle, "die mit dem Kampf der RAF und der Gefangenen verbunden" seien und Solidarität übten, seien "auf die ein oder andere Weise ... alle Einsatzmaterial im Deal" mit dem Staat gewesen. Ihr Leben und ihr Kampf habe hinter ihrem Rücken zu möglichst guten Bedingungen "abgewickelt" werden sollen. "Revolutionäre Politik" könne aber nur "im bewußten Bruch mit dieser Hinterlassenschaft" wieder Fuß fassen.

Die RAF-Inhaftierten Eva HAULE und Christian KLAR äußerten sich in Erklärungen vom 16. bzw. 23. Oktober 1993 in gleichem Sinne wie MOHNHAUPT. KLAR wirft den Gefangenen in Celle, Birgit HOGEFELD und der "RAF" einen "geplanten Deal" mit dem Staat vor; jetzt könne es nur noch die "die Trennung geben - offen". Der "bewaffnete Kampf" sei - so die RAF-Inhaftierte HAULE - "auch in der jetzigen historischen Situation eine Option für die revolutionären Kräfte".

Der Celler RAF-Häftling Karl-Heinz DELLWO wies mit einem auch im Namen von Lutz TAUFER und Knut FOLKERTS und in Verbundenheit mit Birgit HOGEFELD geschriebenen Brief vom 29. Oktober 1993, der am 1. November 1993 in der "tageszeitung" veröffentlicht wurde, die Kritik MOHNHAUPTs zurück. Zwar seien die Celler RAF-Gefangenen initiativ geworden, mit dem Ziel, politischen Druck in den Reihen der Gegenseite zu machen, aber einen "Deal" habe man niemandem angetragen und auch keine "Abwicklung" betrieben. Als die RAF am 10. April 1992 erklärt habe, sie nehme für den jetzt notwendigen Prozeß die Eskalation zurück, seien keine Einwände bekannt geworden. "Daß die alte Konzeption RAF nicht zu halten ist, wußten und wissen alle".

Auf die Erklärung von MOHNHAUPT über den "Bruch" ging bereits am 5. November 1993 unter anderem bei der Bonner Nachrichtenagentur AFP eine siebenseitige, als authentisch anzusehende Antwort der RAF vom 2. November 1993 ein. Die RAF-Kommandoebene weist darin die von MOHNHAUPT erhobenen Vorwürfe, es hätte Geheimverhandlungen oder Bemühungen um einen "Deal" mit dem Staat: Einstellung des bewaffneten Kampfes gegen Freilassung der politischen Gefangenen gegeben, nachdrücklich zurück. Die "Empörung" in der Erklärung vom 28. Oktober 1993 sei "heuchlerisch". Sie sei "Ausdruck eines dumpfen Machtkampfes" und "ein Festhalten" an überholten Strukturen. Ausdrücklich hält die RAF-Kommandoebene weiter an der 1992 eingeleiteten politischen Neuorientierung fest. Angesichts des Zusammenbruchs der "Zentralperspektive der revolutionären Linken" sei eine kritische Reflexion des Kampfes der RAF notwendig. Es gehe "vordringlich um das Herausfinden neuer Wege und Gedanken für den Umwälzungsprozeß". Sie werde die Verantwortung als RAF tragen "bis das Neue herausgefunden" sei. "Ob das dann weiter RAF heißt oder die Transformation der RAF innerhalb einer Neuformierung der revolutionären Linken ist ... heute völlig egal". Es sei nicht Vorstellung der RAF, "die RAF unter allen Umständen ins nächste Jahrtausend zu retten".

Das habe "nichts mit der Aufgabe der Option auf bewaffneten Kampf zu tun". Die Kommandoebene ist nach wie vor bereit, bewaffnet zu "intervenieren", auch wenn die neu zu entwickelnde strategische Vorstellung im Rahmen einer politischen Neuorientierung noch nicht erarbeitet sei, wenn es die Entwicklung verlange. Das Vertrauen zu einigen RAF-Gefangenen sei "schon lange zerstört". Die "Hardliner" werden aufgefordert, zur Besinnung zu kommen und ihren Schritt zur Spaltung noch einmal zu überdenken, die sie - die RAF - nicht wolle, mit der sie aber umgehen könne.

HOGEFELD fordert in einem Brief vom 16. November 1993 MOHNHAUPT auf, die "Schlammschlacht" zu beenden. Sie appelliert an die RAF-Mitglieder, "dieses grenzenlose Mißtrauen zu überwinden und neu eine Basis dafür herzustellen, von der aus wir alle Teil in dem notwendigen Diskussions- und Findungsprozeß sein können".

Dokumente

Erklärung der RAF vom 2. November 1993

"antwort auf die spaltungserklärung vom 28.10.93

an die gefangenen aus der raf, die sich dahinter gestellt haben

für die auseinandersetzung aller, die mit dem kampf der raf und der gefangenen verbunden sind

es hat nie irgendwelche geheimverhandlungen zwischen uns und dem staat gegeben. es ging in unseren überlegungen nie darum, den bewaffneten kampf für die freiheit der politischen gefangenen zu "verdealen". alle behauptungen, die das gegenteil suggerieren, sind dreck, unwahr. richtig ist, daß wir am 10.4.92 die eskalation zurückgenommen haben, da mit den globalen veränderungen ende der 80iger jahre die zentralperspektive der revolutionären linken zusammengebrochen war und damit auch die funktion des bewaffneten kampfes in der brd in der strategischen vorstellung der vergangenen epoche. ausdruck dieser entwicklung waren auch die grenzen, auf die wir gestoßen sind. die gesamte entwicklung verdeutlichte uns, daß eine kritische reflektion der kämpfe der vorangegangenen epoche, d.h. auch des kampfes der raf, dringend notwendig ist. eigentlich banalste revolutionäre selbstverständlichkeit. in dieser phase, in der es vordringlich um das herausfinden neuer wege und gedanken für den umwälzungsprozeß ging und geht, wollten wir auch, daß die freiheit der politischen gefangenen erkämpft wird. dazu haben wir immer gesagt, daß das nur in einem kampfprozeß durchgesetzt werden kann. es entspricht nicht unserer verantwortung aus 23 jahren kampf der raf, die raf unter allen umständen ins nächste jahrtausend zu retten. wir waren offen für alle möglichen formen und transformationsgedanken, je nachdem, was wir und alle, die sich an der neubestimmung revolutionärer politik beteiligen, als das beste für den zukünftigen prozeß für die umwälzung herausgefunden hätten. und diese bestimmung der mittel und organisationsformen ist nur möglich aus der neu zu entwickelnden strategischen vorstellung. das hat nichts mit der aufgabe der option auf bewaffneten kampf zu tun. die freude von staat und kapital über den politischen todesstoß, der eure erklärung gegen die raf sein sollte, kommt zu früh: wir werden solange die verantwortung, die wir als raf haben, tragen, bis das neue herausgefunden worden ist. und ob das dann weiter raf heisst oder die transformation der raf innerhalb einer neuformierung der revolutionären linken, ist uns heute völlig egal. hauptsache, es entspricht den notwendigkeiten und vorstellungen für den umwälzungsprozeß. entsprechend war auch das, was wir in der weiterstadt-erklärung gesagt haben ernst, so wie alles, was die raf sagt, dem entspricht, was wir denken: "es wird darum gehen, die sowohl international wie auch innergesellschaftlich veränderte wirklichkeit umfassend zu begreifen ..., denn nur in einer tiefgreifenden auseinandersetzung wird es möglich werden, eine vorstellung zu gewinnen, wie die verhältnisse revolutionär aufzuheben sind. und nur aus diesem prozeß können die fragen nach den mitteln des kampfes und den konkreten formen der organisierung neu beantwortet werden." wir sagen ausdrücklich: die gespräche, die die celler gefangenen mit ströbele hatten bzw. mit i. bubis führen wollten - in dem inhalt, wie karl-heinz das in der taz vom 1.11.93 erklärt - standen in der tat nicht im widerspruch zu unseren vorstellungen.

mit eurer erklärung vom 28.10. ist ein punkt erreicht, an dem ihr uns zwingt, zu der geschichte zwischen der raf und einigen gefangenen, zu den fortlaufenden verdrehungen und versuchen, eine entsolidarisierung gegen uns zu erreichen, öffentlich stellung zu beziehen. wir hätten nach dem schlag vom 27.6.93 gegen uns mehr zeit gewollt, um wieder in der öffentlichkeit zu reden. wir mußten uns mit dem schweren fehler, dem kontakt mit dem vs-spitzel, auseinandersetzen, wozu wir zu einem späteren zeitpunkt noch was sagen werden. in erster linie hat uns die verhaftung von birgit und die ermordung von wolfgang getroffen. darüberhinaus die tatsache, daß durch den spitzel der staat die möglichkeit eines militärischen schlages gegen uns in der hand hatte, sodaß wir die reale entwicklung in der konfrontation mit dem staat an einem existenziellen punkt nicht richtig überblickt haben. wir sind mit einer situation konfrontiert gewesen, in der es für uns darum ging, unsere möglichkeit neu herauszufinden, wie wir uns produktiv in den prozeß für neubestimmung revolutionärer politik einbringen können. der 27.6. hatte für uns eine völlig neue situation geschaffen. dabei haben wir darauf gehofft, trotz der widersprüche im zusammenhang gefangene/raf, trotz des von einigen von euch bereits vollzogenen bruchs, nochmal zu einer vorstellung zu kommen, in der wir uns politisch aufeinander beziehen können. das wollten wir in einem neuen abschnitt, der so oder so vor uns liegt. dieser versuch wäre unsere sache gewesen. eine trennung von euch wollten wir nicht, obwohl einige von euch nach dem schlag gegen uns das, was vom staatsschutz zu erwarten gewesen wäre, selbst in die hand genommen haben: den bullen auch noch politisch gegen uns zu drehen. das gerade von der "steinmetzschen einheit", "dem ideologischen fuß des vs bei den illegalen" bishin zu der unterstellung, die celler gefangenen, birgit, wolfgang und wir hätten "einen platz im reich" gesucht. seit langem sind die äußerungen einiger von euch wie bewegungen im reagenzglas des staatsschutzes. für einige von euch scheint es schon länger selbstverständlichkeit zu sein, bei inhaltlichen und politischen widersprüchen genossInnen der kollaboration mit dem staat zu beschuldigen und ihnen jede moralische integrität abzusprechen. genau auf so eine haltung hat schon der ehemalige hamburger vs-chef lochte gesetzt. als er nach '89 für eure zusammenlegung eintrat. er war davon überzeugt, daß ihr nicht mehr in der lage wärt, mit widersprüchen und unterschieden unmzugehen, sondern euch gegenseitig zerfleischen würdet. die jahrelangen und immer wiederkehrenden anschuldigungen und gerüchte von einigen von euch gegen unsere gefangenen genossen in celle haben schon mal dazu geführt, daß international gerüchte rumgingen, die gefangenen in celle würden mit dem vs zusammenarbeiten. das setzt sich bis heute fort mit der lüge in Brigittes erklärung, die schon am 30.10. im interview mit stroebele offensichtlich wird: stroebele hätte mit vs-benz gesprochen. bis zum 28.10. hatten wir darauf gehofft, daß diese gefangenen, die sowas nötig haben, nochmal den sprung aus ihrer kleinbürgerlichen konkurrenz schaffen - dem deutschesten alltag bei genossInnen, die sich mit ihrem ganzen leben einmal für etwas anderes entschieden hatten. wir hatten gehofft, daß es nie soweit kommen würde, daß die raf und gefangene aus der raf ein weiteres zerstrittenes grüppchen wird, wie viele in der brd, die nur noch gegenseitig gift verspritzen und sich so ins politische aus manövrieren. wir schreiben diesen brief in dem bewußtsein, daß es wichtigere fragen aus der situation in der brd und international gibt, zu deren antworten wir damit nichts beitragen können. aber nun ist auch unsere schmerzgrenze überschritten.

hinter eurer erklärung steckt miese taktik, sonst wäre es unmöglich gewesen, daß ihr heute eine solche initiative von gefangenen als deal mit dem staat denunziert, obwohl doch einige von euch eine ganz ähnliche initiative überlegt hatten, in der zeit um '90 rum, als in texten von euch von "freunden der vernunft" die rede war, was sich ja auch auf typen aus der wirtschaft bezog. das erfuhren wir damals viel später, sozusagen "durch zufall". ihr wolltet damals nichts anderes als bewegung in den prozeß bringen, in dem es euch auch um eure freiheit ging und darum, neue ausgangsbedingungen für euch, für uns, wie für alle, die neue bestimmungen suchten, durchzusetzen. auch dafür sollten wir den bewaffneten kampf zurücknehmen, allerdings ohne öffentlich zu sagen, daß das in einem zusammenhang steht. wir unterstellen auch nicht, daß es euch bei dem deal mit dem staat und den "platz im reich" ging. ihr solltet das gegenüber birgit, wolfang, den celler gefangenen und uns auch lassen. wie wir heute wissen habt ihr das damals unterlassen wegen mangelnder aussicht auf erfolg, und weil es damals mit unseren politischen vorstellung zusammen nicht möglich gewesen wäre. eure empörung ist heuchlerisch. was ihr heute auf dem markt als deal feilbietet, den gesamtlösungsgedanken - die illegalen eingeschlossen - kam auch von euch, von einigen von euch sind wir verdammt, verflucht und gehaßt worden, weil wir das nicht "rechtzeitig" einsehen wollten. selbstverständlich hattet ihr vorgesehen: möglicherweise erstmal exil. zur vorstellung einiger von euch gehörte auch, daß wir eine erklärung abgeben: daß die raf den bewaffneten kampf einstellt. damals hieß es: ansonsten ist jeder gedanke an die freiheit der gefangenen illusion. wir sollten uns zurückziehen, dazu würde der staat "danke" sagen und sonst nichts - was dann komme, wisse niemand. das war allerdings nie unsere vorstellung, weil wir davon ausgegangen sind, daß wir nur in einem kampfprozeß neue ausgangsbedingungen durchsetzen können, was auch heißt, in einer zeit bewaffnet zu intervenieren, in der die strategische vorstellung noch nicht erarbeitet ist, wenn es die entwicklung von uns verlangt.

ihr werft uns vor, mit unserer drohung und der sprengung des weiterstädter knastes hätten wir "die bewaffnete aktion zur ware gemacht". sind eurer meinung nach aktionen nur zur begriffsbildung zuläßig? nur abstrakte politik? ohne jeden gebrauchswert? seit wann ist es eurer meinung nach verwerflich, mit aktionen druck gegen den staat auszuüben? ihr wißt genausogut wie wir, daß die bewaffnete aktion in ihrem politischen inhalt stimmen muß, um druck auf den saat für eine entwicklung, die es zu erkämpfen gilt, ausüben zu können. das verhältnis, das ihr zu revolutionärer politik und zur bewaffneten intervention heute vermittelt, ist dermaßen abstrakt und tot, wie es uns vollkommen fremd ist, und wie wir es von kämpfenden auf der ganzen welt nicht kennen. auch wenn ihr die lüge tausendmal wiederholt, wird sie nicht wahr. wer die aktion gegen den weiterstädter knast unpolitisch nennt muß einen knall haben. ihr solltet mal INHALTLICH begründen, wieso ihr mit einer intervention nichts anfangen könnt, die einen knast zerstört, der ein in beton gegossenes spiegelbild der entwicklung ist, wie sie die herrschenden anpeilen, und durchzusetzen entschlossen sind; gegen ein projekt, das für den militärischen umgang des staates mit den sich forcierenden widersprüchen in dieser metropolengesellschaft steht; gegen ein projekt, das für den staatlichen rassismus und die wissenschaftliche zerstörung menschlicher identität steht. das wesen dieses projektes und die beweggründe, es zu zerstören, waren untrennbar mit unserer absicht verbunden, druck gegen den staat für eure freiheit zu entwickeln. wir wissen allerdings, daß es welche unter euch gibt, die schon damals diese aktion verurteilt haben, scheinbar wegen der tatsache, daß viele menschen - auch hier - damit etwas verbinden können. denn das ist für euch ausdruck von "entpolitisierung und anpassung" wenn wir vielen aus dem herzen sprechen, dann kann damit etwas nicht stimmen!

euer aufschrei gegen diesen druck auf staat und kapital, der ein aspekt aus 23 jahren bewaffneten kampfes, aus der entwicklung der konfrontation befreiung/kapital ist, ist nur noch flache polemik. mit inhaltlicher, also auch politischer auseinandersetzung und kritik hat das nichts zu tun. schon '77 ging es auch darum, einen druck gegen staat und kapital zu schaffen, wobei ein aspekt nur gewesen sein kann, daß die wirtschaft ihren einfluß zugunsten schleyers zur geltung bringt. schon damals alles zur ware verkommen? natürlich nicht. kommt jetzt nicht damit, daß der versuch damals seine berechtigung ausschließlich aus der zentralen perspektive der internationalen revolutionären bewegung hatte. im fernseh-interview hast du, irmgard, gesagt, daß ihr damals staatlichen stellen angeboten habt, nicht in die brd zurückzukehren, sondern im exil weiter politisch zu kämpfen. von anderen aus eurem kreis wissen wir, daß es für die gesamte gruppe, dh. auch für die illegalen, darum gegangen wäre, nach der befreiung der gefangenen, überhaupt neu herauszufinden, wie der kampf weiter zu entwickeln ist. alles sei offen gewesen, auch wie bewaffnet weiter gekämpft werden soll. das wäre auch in der jüngeren vergangenheit für den gesamten politischen zusammenhang raf/gefangene am besten gewesen. wir wissen, daß die meisten von euch das nicht anders gedacht haben. umso schlimmer, daß ihr jetzt anderes zu vermitteln versucht, und von deal quatscht. "wenn gleichzeitig angriffe der guerilla laufen, wird hier keine mobilisierung für die freiheit der gefangenen fuß fassen können ..." (aus einem brief von Brigitte, frühjahr '93) wenn ihr denkt, daß die existenz der raf eurer freiheit entgegensteht, und ihr mit der erklärung vom 28.10. das ziel habt, die raf entgültig vom hals zu haben - dann solltet ihr das auch so offen sagen. anstatt so zu tun, als wäret ihr die gralshüter der option des bewaffneten kampfes oder der revolutionären intervention in der metropole; und könntet den trennungsstrich zur raf ziehen, moralisch unbefleckt und als opfer der angeblich verräterischen machenschaften von uns, birgit und den celler gefangenen. wenn ihr offen und ehrlich reden würdet, hättet ihr solche schweinereien nicht nötig. und ihr könnt es euch auch sparen, ein verhältnis zu bewaffneten aktionen auf uns zu projezieren, das aus der gruselkammer kapitalistischer warenwelt kommt und von dem IHR euch mal in eurer gesamten politik befreien solltet: "wenn sie (raf) jetzt ankündigen, den schritt vom april '92 praktisch aufzuheben, begründet mit unserer gefangenensituation - dann tragen wird das nicht mit." (eva) als wäre es unser problem gewesen, daß wir was HABEN/BESITZEN wollten für uns. in dem stil, die raf - mordlüstern wie sie ist - braucht die gefangenen, weil - unpolitisch wie sie ist - ihr sonst zur entwicklung nichts einfällt.

zur geschichte der beziehungen, deren inhalt für euch zerstört ist: eure kämpfe, die ihr in der raf oder später als gefangene geführt habt, haben uns mobilisiert. für alle hier hatten sie eine bedeutung in der eigenen geschichte. daraus ist ein vertrauen in euch, die genossInnen im knast, lebendig gewesen. eine verbundenheit auch daraus, die gleiche existenzielle lebensentscheidung für den kampf um befreiung getroffen zu haben, und die vorstellung, dies sei eine basis dafür, auch an unterschiedlichen orten und in der sich immer verändernden äußeren situation zu politischem einverständnis über den weg kommen zu können. doch dies ist nur als lebendiger und widersprüchlicher prozeß möglich, der offenheit und respekt zueinander voraussetzt.

das vertrauen dazu ist zu einigen von euch schon lange zerstört. wir denken heute, daß es eine illusion von uns war, wir könnten es schaffen, uns als politischen zusammenhang, indem die grundlagen zueinander gebrochen sind, gegen einen machtapparat wie den brd-staat gemeinsam durchsetzen und einen neuen aufbruch schaffen. unsere entscheidung zu allem, womit einige von euch gegen uns! - wo sie nur konnten - gearbeitet haben, nicht öffentlich stellung zu beziehen, war falsch. wir haben auf die falsche hoffnung gesetzt, die widersprüche könnten sich im kampfprozess auflösen. sie basierte auf einer falschen rücksichtnahme auf euch als gefangene in der isolation und darauf, daß wir verhindern wollten, in eine sinnlose schlammschlacht zu geraten. Brigitte, deine unterstellung in dieser erklärung, unser verhältnis zu euch sei gewesen "friß oder stirb ..." sagt viel über dich/euch, nicht über uns. da, wo die anschuldigung die beschuldigten nicht trifft, macht sie nur offen, welche nähe du oder ihr zu solchen verhältnissen hast/habt. das ist uns schon im vergangenen jahr schmerzlich deutlich geworden. wir kennen diese ganzen sprüche zur genüge: wenn wir an kritik und selbstkritik - was ihr opportunismus und entpolitisierung nennt - festhalten würden, dann werdet ihr uns "als typen vom tisch fegen", uns und andere "links überholen". alle, die sich auf das beziehen könnten, was von der raf in die auseinandersetzung gebracht wurde "interessieren dann nicht mehr". das seid ihr. das war der schwerpunkt eurer anstrengung im letzten jahr, zumindest soweit sie öffentlich bekannt sind. und die methoden, die ihr dabei benutzt, solltet ihr dem gegner überlassen. ihr habt darauf gebaut, daß es in der linken schon seine wirkung hat, wenn die denunziation nur oft genug wiederholt wird. ihr seid im gesamten vergangenen jahr auf inhaltliche ansätze von uns nicht INHALTLICH eingegangen, auch wenn das zu widersprüchlichen diskussionen geführt hätte. stattdessen habt ihr unsere gesamte anstrengung mit eurer kleinbürgerlichen konkurrenzscheiße und eurem besitzverhältnis zur raf und revolutionärer politik in der brd überzogen. für manche von euch war es ausreichend, ewig alte klarheiten zu verbreiten, die allgemein zwar richtig sein können, aber für sich allein wenig zur beantwortung der fragen beitragen können, die sich aus der sich zuspitzenden situation hier wie international stellen.

auch ihr hattet von einer zäsur gesprochen, was das allerdings für euch bedeuten sollte, dazu gibt es von euch bis heute nichts substantielles. für uns war es aus unserem prozeß heraus notwendig geworden, zu einem produktiven verhältnis von kritik und selbstkritik zu kommen. für die kämpfenden auf der ganzen welt ist das eine lebensader - für einige von euch ist das wie das wasser für das feuer. euer bruch zu uns hängt auch damit zusammen und damit, daß wir, wie auch die gefangenen genossen in celle, in den auseinandersetzungen der letzten jahre einen eigenen kopf behalten haben. mit schlagwörtern wie "entpolitisiert" und "anpassung" schützt ihr euch schon seit 1 1/2 jahren vor einer inhaltlichen auseinandersetzung. und genau das ist entpolitisiert. ihr tragt mit der auf uns fixierten arbeit der letzten 1 1/2 jahre mit verantwortung daran, daß sich einige teile der radikalen linken mit einer "rafdebatte" selbstbeschäftigt haben, ganz so, wie ihr sie ins leben gerufen habt. die rücknahme des bewaffneten kampfes der raf (! die ihr auch wolltet), sei verrat. viele von ihnen beziehen sich dabei auf briefe von euch, da können sie euch wohl kaum verstanden haben. das ganze geht soweit, daß behauptet wird, die raf sei mit der zurückstellung des bewaffneten kampfes verantwotlich für die steigende zahl von vergewaltigungen. (auch welche, die sich auf euch beziehen) sie begreifen die alte konzeption der raf als zeitlose antwort, wobei das aussetzen des bewaffneten kampfes (der raf) bereits verräterisch sei.

viele dieser papiere sind eine demonstration der begriffslosigkeit sowohl des 23-jährigen kampfes der raf und ihrer früheren konzeption, als auch der gesamten entwicklung. '92 gab es plötzlich soviele schwätzerInnen wie nie zuvor, die ausgerechnet jetzt die notwendigkeit zum bewaffneten kampf der raf entdeckten. schwätzerInnen, von denen wir in unseren offensiven phasen nichts mitbekommen haben. niemand von denen war und ist bereit, selbst bewaffnet zu kämpfen. weder bei uns, noch gründen sie andere bewaffnete organisationen, die weniger "reformistisch" sind. das wundert uns nicht. denn schwätzertum führt nicht mal zu wiederholungen des alten, es führt zu nichts. diese scheindiskussion, in der es nie um die leute selbst geht, sondern immer nur um andere, meistens gegen uns, habt ihr entfacht und mit einer flut von diffamierungen begleitet: "entpolitisiert ", "den internationalismus fallengelassen," "wir würden die geschichte abwickeln", und mit dem vs - wahlweise entweder die politik bestimmen oder verhandlungen führen, und würden für unser wohl und den "platz im reich" opportunisitsch inhalte aufgeben und und. wir haben die methode schon lange satt, daß der inhalt unserer texte verdreht wird, je nachdem wie es gerade opportun erscheint, wie in einem brief kurz vor weiterstadt. mit geschickter wortspielerei kommt unterm strich raus: alle sollen "nun schauen, welche fraktion sich "durchsetzt" wie die raf sagt". natürlich hatten wir ganz im gegenteil in der dort zitierten erklärung gesagt:" von alleine werden sie (der staat) an keinem punkt zurückweichen, dafür wird immer gesellschaftlicher druck und kämpfe notwendig sein". euer blöder machtkampf zeigt sich auch am verkrampften festhalten an der diskussion um die "zwei fraktionen im apparat", obwohl die gefangenen in celle unseren fehler in der april-erklärung im konkret-interview korrigiert hatten und wir die kritik im august text bekräftigten. (ein allerdings imaginärer machtkampf gegen die genossen in celle, uns und zeitweise gegen die genossInnen in lübeck, denn alles andere wäre notwendig gewesen, da der feind wie auch die fragen groß sind). ihr müßt mal realisieren, daß ihr diesen fehler von uns über ein jahr lang zu einem eurer schwerpunkte gemacht habt, während es ansonsten kaum noch jemand interessiert hat. während ihr immer wieder die "situationsdebatte" statt "raf-debatte" gefordert habt und das gegenteil davon gemacht habt, ist euch der blick selbst auf die eigene situation durch eure orientierung gegen uns vollkommen verstellt geblieben. bis zuletzt haltet ihr euch an eurem irrglauben fest, in der kgt-initiative sei von anfang an nur für einige gefangene die freiheit vorgesehen gewesen. ihr realisiert nicht, daß für niemanden die freiheit vorgesehen war. alles war abhängig von einer politischen mobilisierung, davon, ob die gefangenengruppe darin SOLIDARISCHER KERN ist und in der lage, gemeinsam in die diskussion einzugreifen und auch vom kräfteverhältnis raf/staat. das konntet ihr weder daran realisieren, daß nach günter kein gefangener aus der raf mehr freikam, und noch nichtmal hat euch der schlag gegen uns in bad kleinen erhellt. bei euch schiebt sich vor jede erkenntnisfähigkeit das gift, das ihr in euren herzen mobilisiert habt. deshalb muß nun auch die story vom versuchten deal herhalten, damit euer irrglaube weiter bestand haben kann. daß ihr es fertigbringt, mit euren denunziationen auch wolfgang mit dreck zu überziehen - ihn, der neun jahre lang die politik der raf mitentwickelt und in ihr gekämpft hat, der unter anderem auch für eure freiheit gekämpft hat und bei dem versuch, gerade nicht in den knast zu kommen, um draußen weiter kämpfen und leben zu können, ermordet wurde - ist nur ausdruck davon, auf welchen niederungen ihr angelangt seid. wolfang war ein mensch, der für genossInnen durchs feuer gegangen wäre.

es gab in der letzten zeit einen neuen anlauf zur mobilisierung für eure freiheit. von genossInnen mit einer neuen haltung, die wir befreiend fanden gegenüber der alten geschichte von fraktionierungen, der unfähigkeit, mit inhaltlichen, politischen widersprüchen umzugehen. das hat die aussicht darauf offen gemacht, daß es tatsächlich einmal zu einer ernsten, politischen auseinandersetzung kommen kann. wir fanden die entscheidung der genossInnen richtig, sich nicht auf die spaltereien einzulassen. sie gehen stattdessen von den tatsächlichen widersprüchen in den politischen vorstellungen auf unserer seite aus. wir denken, daß das ein selbstbewußtsein ist, das absolut notwendig ist, in einem prozeß, in dem es um die neubestimmung revolutionärer politik geht. eure erklärung vom 28.10. ist auch gegen diese haltung gerichtet. sie ist ausdruck eines dumpfen machtkampfes. sie drückt ein festhalten an überholten strukturen aus, in denen es für euch legitim ist, bei inhaltlichen widersprüchen genossInnen der kollaboration mit dem system zu beschuldigen und ihre moralische integrität in den dreck zu ziehen. letztlich seid ihr diejenigen, die sie damit verlieren.

WIR HALTEN ES FÜR NOTWENDIG, MIT D I E S E R HINTERLASSENSCHAFT EINEN BEWUßTEN BRUCH ZU MACHEN!

wir sagen euch, daß diese "ganz neue entscheidung", von der ihr sprecht, die auf lügen, dreck und unehrlichkeit euch selbst gegenüber aufgebaut sein soll, mit sicherheit nicht dazu führen wird, "daß revolutionäre politik hier ... wieder fuß fassen können wird".

wir fordern euch auf - und das ist uns sehr ernst - jetzt einen moment innezuhalten. kommt zur besinnung! auch wenn ihr dabei über euren schatten springen müßt. wir wissen, daß euch das unser brief nicht einfach macht, aber ihr könntet verstehen, daß ihr uns keine andere möglichkeit gelassen habt, als nun das zu sagen, was wirklich ist.
es gibt vertrauen, das keine mauern brechen können. karl-heinz, lutz, knut, birgit und wir werden mit dieser spaltung umgehen können, aber wir wollen sie nicht!
vielleicht ist dies - wenn überhaupt - die letzte möglichkeit für was anderes.
es liegt nun an euch.
rote armee fraktion
2.11.1993 (RAF-Stern; Anm. d. Verf.) "

3.1.9 Rote-Armee-Fraktion - Umfeld

Im Umfeld der RAF in Nordrhein-Westfalen führte der "Bruch" zu Polarisierungen, wobei allerdings das Bemühen, eine Spaltung zu vermeiden, überwog.

Es setzte auch 1993 seine Agitation für die "Freilassung der politischen Gefangenen" in Veranstaltungen, auf Demonstrationen, mit Schriften und Flugblättern sowie durch Plakat- und Schmieraktionen fort. In diesem Zusammenhang seien beispielhaft folgende Veranstaltungen genannt:
  • Am 14. April initiierten u.a. Angehörige inhaftierter Mitglieder der RAF eine Pressekonferenz in Bonn, auf der die bedingungslose Freilassung der inhaftierten RAF-Mitglieder RÖSSNER und JANSEN, die Zusammenlegung bestimmter RAF-Häftlinge in Kleingruppen sowie die Einstellung der von der Bundesanwaltschaft eingeleiteten neuen Verfahren gegen bereits rechtskräftig verurteilte inhaftierte RAF-Mitglieder gefordert wurden.
  • Am 25. September nahmen auch Personen des RAF-Umfeldes in Nordrhein-Westfalen an einer Demonstration in Stuttgart zum Thema "Schluß mit den Kronzeugenprozessen und allen neuen Verfahren gegen Gefangene aus der RAF - Freiheit für alle politischen Gefangenen" sowie am 9. Oktober an einer vom RAF-Umfeld initiierten Demonstration in Lübeck teil, auf welcher die sofortige und bedingungslose Freilassung des inhaftierten RAF-Mitglieds Irmgard MÖLLER gefordert wurde.
  • Im November fanden drei kleinere regionale Demonstrationen in Bielefeld, in Köln vor der dortigen Justizvollzugsanstalt und vor dem Justizministerium in Düsseldorf statt. Die Demonstranten forderten u.a. die "Zusammenlegung der Gefangenen" und "Freiheit für alle politischen Gefangenen", "Schluß mit der Isolationsfolter".
  • In der Silvesternacht des 31. Dezember 1993 fand eine offensichtlich auch vom örtlichen RAF-Umfeld vorbereitete Demonstration vor der Justizvollzugsanstalt in Köln statt, an der sich etwa 100 Personen beteiligten. Die Demonstration diente der Bekundung von Solidarität mit den dort einsitzenden RAF-Mitgliedern.
Auch die Ereignisse in Bad Kleinen, insbesondere der Tod des Wolfgang GRAMS, führten im RAF-Umfeld sowie im sonstigen linksextremistischen Spektrum zu Protestaktionen, Sachbeschädigungen, Farbsprühaktionen und Demonstrationen:
  • am 29. Juni 1993 fand auf der "Domplatte" in Köln eine Standkundgebung statt, bei der ein Transparent mit der Aufschrift "Wir trauern um Wolfgang GRAMS, Genosse aus der RAF, wandelt Wut und Trauer in Widerstand" gezeigt wurde;
  • am 24. Juli 1993 bekundeten etwa 100 Personen bei einer Demonstration in Bielefeld Solidarität mit der dort inhaftierten Birgit HOGEFELD. Im Stadtgebiet wurden Fassaden mit den Worten "Solidarität mit der RAF" besprüht;
  • am 10. Juli 1993 fand in Wiesbaden eine Großdemonstration statt, die von einem "Komitee zur Aufklärung des Todes von Wolfgang GRAMS" organisiert worden war; daran beteiligten sich etwa 2.400 Personen;
  • am 13. August 1993 besetzten u.a. Personen des RAF-Umfeldes das alte Rathaus in Bonn und forderten, Räumlichkeiten für eine eigene Pressekonferenz. Auf mitgeführten Transparenten waren u.a. folgende Texte angebracht: "Unser Freund Wolfgang GRAMS ist erschossen worden" und "besetzt von den Angehörigen der politischen Gefangenen in der BRD".
Darüber hinaus beteiligte sich das RAF-Umfeld an Aktivitäten des linksextremistischen Spektrums, insbesondere der Autonomen, im Zusammenhang mit der Asyl-/Flüchtlingsthematik und besonders an Aktivitäten gegen Ausländerfeindlichkeit. So waren Personen des RAF-Umfeldes auch an Planungen, Vorbereitungstreffen und Absprachen beteiligt, die sich gegen die geplante Änderung des Artikels 16 Grundgesetz richteten. Die Agitation konzentrierte sich insbesondere auf den sogenannten Tag "X" (Tag der 2. und 3. Beratung sowie Abstimmung über die Änderung des Asylgrundrechts im Deutschen Bundestag), am 26. Mai 1993.