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Aus: Junge Welt, 14.12.1996

Ein Brief von der RAF an die jW

Leserbrief zu den Artikeln von Ivo Bozic (5.12.) und Oliver Tolmein (6.12.) und unserer Stellungnahme (29.11.). Da letzterer zum Teil ein Schuß in den Ofen war und Eure Kommentare dazu auch nicht gerade der Weisheit letzter Schluß, würden wir es gut finden, ihr druckt das hier auch noch ab.

Wir hatten völlig unterschätzt, daß unser Text nach 2 1/2-jährigem Schweigen als demonstratives "Nichts-sagen" zu den Erklärungen von Helmut Pohl und Birgit Hogefeld verstanden werden mußte. Das war nicht unsere Absicht. Es hat sich für uns nichts an der Notwenigkeit verändert, die Geschichte der RAF und der gesamten Linken heute zu reflektieren. Es liegt uns völlig fern, Beiträge von GenossInnen dazu zu ignorieren. Wir wollten zusammen mit anderen GenossInnen, die nicht in der RAF organisiert sind, ein Resümee der Geschichte der Linken - und in ihr der RAF - ziehen und Schlußfolgerungen daraus für die Zukunft ableiten. Das fänden wir zwar immer noch am besten und zeitgemäß, hat sich aber als sehr langwieriges Projekt herausgestellt. Deshalb werden wir es demnächst doch unabhängig davon und doch wieder nur als RAF machen. Die Stellungnahme vom 29.11. haben wir nur aus aktuellem Anlaß geschrieben.

Oliver Tolmein schreibt, unsere Ablehnung von Geheimdienstprogrammen sei sowieso klar gewesen. Hätten wir diese Einschätzung auch gehabt, hätten wir noch etwas länger geschwiegen. Gerüchte in den ganzen letzten Jahren ließen uns anderes befürchten. Natürlich finden wir das erfreulich, wie er das einschätzt. Immerhin haben ein Teil der Gefangenen den "Bruch" mit uns unter der Begründung "vollzogen", sie müßten einen "Fahrplan abschneiden", nach dem wir mit Hilfe des VS die RAF hätten abwickeln wollen. Das ist nie zurückgenommen worden.

Weniger erfreulich finden wir, daß Ivo Bozic die ziemlich ernste Frage danach, wie die Linke mit VS-Angeboten und Aussagen bei den Bullen umgeht, zum Privatproblem der RAF entpolitisiert. Es ist logisch, daß die Linke in der Phase, in der sie insgesamt ohne Orientierung dasteht und sich eher in der Defensive befindet, mit diesen Fragen härter und öfter konfrontiert ist. Ivo Bozic unterstellt uns hier egoistische Beweggründe. Ginge es uns um unseren eigenen Wanst, würden wir das sicher nicht öffentlich bekunden und damit den Staatsschutz an unseren Problemen teilhaben lassen.

Die Notwendigkeit eines klaren Verhältnisses zum Staatsschutz und zu klandestinen illegalen Strukturen zeigt sich keineswegs nur im Zusammenhang mit der RAF: Kriminalisierung anti faschistischer Strukturen (Kaindl), radikal, K.O.M.I.T.E.E., Fritzlaer Strasse (wegen Steinmetz) u.s.w..

Zu einem anderen Punkt. Vermutlich werden wir noch gescholten werden, weil wir uns gegen das "Labern" in Medien ausgesprochen haben. Wir haben natürlich nichts dagegen, wenn GenossInnen in Filmen oder Veranstaltungen o.ä. einbringen, wie sie Früheres erlebten, wie sie das heute einschätzen und was daraus gelernt werden kann. Im Gegenteil.

Für uns ist es trotzdem eine problematische Situation, in der für einen großen Teil der GenossInnen die RAF und illegale Organisierung schon Geschichte sind, während wir uns nicht in Luft auflösen können und werden. Und es ist auch ganz unabhängig von uns nicht richtig, jetzt davon auszugehen, daß es nie wieder illegale Strukturen geben muß. Die gewalttätigen Verhältnisse und die Abwehrreflexe des Staates gegen systemüberwindende Vorstellungen und emanzipatorische Politik lassen diesen Schluß jedenfalls nicht zu - auch wenn das mit der RAF nichts zu tun hat.

"Einfach weitermachen" - wie Oliver Tolmein aus unserem Text folgert - ist unsere Sache ganz sicher nicht. Das RAF-Konzept ist überholt. Das ist objektiv so. Dabei bleibt es also auch. Alles andere würde völlig an der politischen Situation insgesamt - und unserer speziellen erst recht - vorbeigehen. Es kann auch keine modifizierte Neuauflage des Alten geben. Wenn wir auch keine Beschäftigung für die nächsten 100 Jahre darin sehen, wollen wir dazu beitragen, ein kollektives Bewußtsein über unsere Geschichte zu ermöglichen - mit dem Sinn, daraus Erkenntnisse zu gewinnen, die uns allen etwas für eine bessere, freiere, starke und emanzipative Politik für die Umwälzung der Verhältnisse in die Hand geben. Wer wollte, hat im Text vom 29.11. lesen können, daß wir mit dem, was seit Anfang der 90er bis in die jüngsten Tage dabei herauskam, weder glücklich noch zufrieden sind. Auch wenn es in den letzten Jahren unserer Meinung nach ebenfalls einige gute Beiträge dazu gegeben hat.

Der Vorwurf, wir würden die reaktionäre Entwicklung der BRD- Gesellschaft nur als staatliche Offensive wahrnehmen und nicht die antisoziale und rassistische Bedrohung sehen, die von einem großen Teil der Bevölkerung der BRD ausgeht, ist völlig aus der Luft gegriffen. Wir würden "den Blick" für das verlieren, "was sonst noch in der Gesellschaft passiert", muß offensichtlich her, um uns einen politischen Inhalt nachzuweisen, der was hergibt für "scharfe" Kritik. Nichts in unserem Text sagt das aus, was uns hier vorgeworfen wird. Wir haben die gesellschaftliche Entwicklung nur erwähnt, nicht zum Thema dieser Stellungnahme gemacht. Aber aus allem, was wir dort nicht zum Punkt gemacht haben, uns so was reinzudrücken, finden wir nicht sonderlich radikal - auch wenn es sich noch so sehr danach anhört. Die Idee zu dieser Kritik dürfte daher kommen, daß wir in früheren Erklärungen (Anfang der 90er) diesen Blickwinkel vernachlässigten. Damals wurden wir dafür kritisiert. Berechtigterweise. Für heute gilt das nicht. Ganz im Gegenteil - wir sehen die Wichtigkeit dieser gesellschaftlichen Entwicklung und ihre Bedeutung für zukünftige Konzepte der Linken.

Rote Armee Fraktion

9.12.96


                                                                                                                                                                zurück nach oben
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